PETER RONNEFELD (1935 – 1965)
KOMPONIST | DIRIGENT | PIANIST

 

JEDER WAR MEHR
IN SEINER GEGENWART

 

DOKUMENTARFILM VON CHRISTIAN REICHART

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Peter Ronnefeld ist in Vergessenheit geraten. Die 1989 erschienene Ausgabe des Lexikon-Standardwerks „Musik in Geschichte und Gegenwart“ (MGG) widmete Ronnefeld noch eine volle Seite und nennt ihn eine der größten und hoffnungsvollen Begabungen des deutschen Musiklebens. (…) In der Oper wie im Konzertsaal gelangen ihm von hohem Verantwortungsgefühl getragene Meister­inter­pretationen von Werken der Tradition wie der damals jüngsten Gegenwart, geprägt von klanglicher und struktureller Transparenz. (…) Seine Oper Die Ameise enthält Partien, die davon zeugen, wie gut er die selten gewordene Kunst, für (statt gegen) die menschliche Stimme zu schreiben, beherrschte. Die fünfbändige „Geschichte des Musiktheaters“ (Kassel 2002) erwähnt ihn, den großen Operndirigenten und Komponisten einer Aufsehen erregenden Oper lediglich als Dirigenten der Dänischen Erstaufführung der „Mahagony“-Oper von Kurt Weil. In den 17 Bänden der 2007 neu herausgegebenen MGG taucht sein Name nicht mehr auf.

Dabei ist das hymnische Urteil jener, die ihn kannten, einhellig. Dieser Ronnefeld wird der nächste Karajan sein, sagte Karl Böhm. Und Nikolaus Harnoncourt bekennt: Wir haben natürlich alle von ihm geschwärmt, auch über sein Dirigieren in der Oper. Das war immer so gut, dass man das Gefühl hatte, dass die Altgedienten ihn deshalb auch nicht richtig drangelassen haben.

Geboren wurde Peter Ronnefeld am 26. Januar 1935 in Dresden, der Vater Herbert ist Bratscher der Sächsischen Staatskapelle, die Mutter Gisela, geb. Koeppel, ist die Tochter eines Buchhändlers aus Bad Pyrmont. Mit 8 Jahren erhält Peter Ronnefeld Klavierunterricht, mit 10 Jahren Theorieunterricht. Er unternimmt erste Kompositionsversuche mit etwa sieben Jahren, vermag die erfundenen Melodien noch nicht zu Papier zu bringen, dabei hilft der Vater. Im Februar 1945 entkommt seine Familie mit knapper Not dem Bombeninferno, das über Dresden niedergeht. Peter und seine Mutter können sich an das Ufer der Elbe retten und verfolgen von dort das grausame Schauspiel. Der Vater, der zum Zeitpunkt des Angriffs Wachdienst an der Semperoper hatte, flieht in eine andere Richtung. Die Familie findet erst Wochen später wieder zusammen. Ronnefeld besucht die Dresdner Waldorfschule. Da er zu jung ist um Komposition zu studieren, erlernt er an der Dresdener Hochschule für Musik zunächst Waldhorn zu spielen: Ich mag das Horn furchtbar gern, ich spiele es, weil ich Kapell­meister werden will und dazu ein zweites Instrument brauche.
1949 erfolgt sein erster Auftritt als Pianist in einem Schulkonzert, 1950 bearbeitet er Mozarts Singspiel „Bastian und Bastienne“ für eine Schulaufführung und leitet die Einstudierung und Vorstellung. Dann der Umzug nach Berlin: Nun erst die neueste Neuigkeit, die Sensation, die alles in den Schatten stellt: am 17. April beginnt das Sommersemester an der Hochschule für Musik in Berlin-Charlottenburg (West), welches ich absolvieren werde!!! (Strahlendes C-Dur mit 80 Trompeten!) und das kam so: Ein guter Bekannter von uns, der in Berlin beim Film arbeitet (Film-Musik), ist gut mit dem Komponisten Werner Egk befreundet. Ersterer zeigte zweiterem Kompositionen von mir, worauf Prof. Egk ihm sagte, wenn ich wollte, könnte ich ein Stipendium an der Berliner Musik-Hochschule bekommen. Das hat hier natürlich wie eine Bombe eingeschlagen. Sonnabend, den 25.1. mußte ich hinfahren und Prof. Egk (er ist Direktor der Schule) vorspielen, mit dem Erfolg, daß mir die offiziellen Aufnahmeprüfungen geschenkt wurden. Ich werde bei meinem Onkel, der ja Geiger an der Berliner Staatsoper ist, wohnen, nebenbei Horn spielen und mich tüchtig in das Klavier knien. Die Angelegenheit ist natürlich sehr groß, und ich freue mich schon sehr auf alles“ (in einem Brief an die Freunde Elmar und Winfried Reimann).

Er komponiert die „Kleine Suite“, die er, inzwischen nach Berlin gezogen und Mitglied im Jugendorchester des RIAS, Willy Hannuschke widmet. In Berlin wohnt er bei der Familie seines Onkels. Der Maler Mathias Koeppel, dessen Gemälde „Die Öffnung der Berliner Mauer“ im Berliner Abgeordnetenhaus hängt, ist sein Cousin.

Peter Ronnefeld studiert Komposition bei Boris Blacher und Klavier bei Erich Riebensahm an der Berliner Musikhochschule. Im November 1951 wird das Orchesterwerk „non scholae sed vitae“ aufgeführt. Ronnefeld wählte diesen Titel, weil es ein furchtbar freches und lustiges Stück für die Jugend ist. Zuerst kommen die Jungen, dann die Mädchen, dann ist das Fagott da, das einen alten brummigen Lehrer charakterisiert. Das Adagio ist Back­fischschwärmerei für den Lehrer, dann gibt es zum Schluss eine tolle Keilerei, und danach klingt das Stück in einem wüsten Prestissimo aus.

Ronnefelds über alle Maßen ausgeprägte Begabung tritt zu diesem Zeitpunkt bereits offen zutage. Im RIAS wird im biographischen Archiv eine Notiz zu Ronnefeld angelegt, da ist er gerade 16 Jahre alt. Dieser Notiz ist in Klammern folgende Einschätzung angefügt: Hannuschke meint, Ronnefeld wäre d i e große Hoffnung.

Es versteht sich von selbst, dass sich Ronnefelds Wirkungskreis bald erweitern muss, er nicht dauerhaft im RIAS Jugendorchester unter den ‚normal Hochbegabten’ zu halten ist. Und doch wird diese Zeit für ihn nicht ohne Bedeutung geblieben sein. Hier sammelte er Orchestererfahrung, spielte vermutlich erstmalig als Solist mit Orchester (Aufführungen des 1. und 3. Beethoven-Konzerts und des Konzerts für 4 Klaviere und Orchester und des Krönungskonzerts von Mozart mit ihm sind verbürgt), wurden Werke von ihm aufgeführt (neben der Kleinen Suite die Ouvertüre „non scholae sed vitae“ und die „Symphonie 52“), die er teilweise selbst dirigierte. Diese Vielseitigkeit weist bereits auf die unerhörte Leichtigkeit hin, die seinem Umgang mit Musik innewohnte.

Noch einmal Nikolaus Harnoncourt: Peter war hervorragend ausgebildet, er hat wirklich sein Handwerk beherrscht und war ein begnadeter Pianist. Er konnte die schwersten Sachen sofort sehr, sehr gut spielen, er musste nicht viel üben, und auch als Dirigent war er sehr geschickt. Ich habe mit ihm als Dirigent wenig zu tun gehabt, aber er war der ideale Einspringer, wenn irgendetwas Schwieriges zu dirigieren war und der Dirigent krank war. Das hat er jederzeit machen können, und es funktionierte auch tadellos, als er Alberto Erede in Rossinis La Cenerentola vertrat. Er war den Leuten deshalb ein bisschen unheimlich, weil er einfach so gut war.

Eine beeindruckende Anekdote erzählt der österreichische Regisseur Federik Mirdita, der zu der Zeit an der Wiener Staatsoper Regieassistent war, als Ronnefeld Herbert von Karajan assistierte: An einem Abend saßen wir zusammen und er schaute auf die Uhr, was eigentlich nicht seine Art war, und sagte, „Ich muss mir noch das D-Dur-Konzert von Haydn anschauen“. Dann sagte ich: „Wie – Du kannst doch jetzt in der Nacht nicht spielen!“ – „Nein, nein“, sagte er, „ich lerne es aus den Noten auswendig“. Und am nächsten Tag war die Eröffnung der Musiksammlung – mit dem Concentus Musicus, der damals noch nicht den großen Namen hatte – und Peter hat das Haydn-Konzert gespielt. Mittendrin wusste er plötzlich nicht weiter, hat ausgelassen. Er hat aber in einem Bruchteil einer Sekunde weitergespielt, ein eigenes Konzert, und er hat immer gehört, ob die jetzt in der Dominante spielen oder in der Tonika und hat dazu fertig gespielt. Dabei saßen zwei damals in Wien bekannte Pianisten im Publikum, Jörg Demus und Paul Badura-Skoda, die natürlich auch gerne das Konzert gespielt hätten. Sie sind aufgestanden und wütend hinausmarschiert. Der Harnoncourt hat damals noch nicht dirigiert, sondern mit Kopfeinsatz das Ensemble geleitet. Ihm ist der Schweiß heruntergeronnen, während sich der Peter mit einer Sorglosigkeit sondergleichen zurückgelehnt hat und aus der Sekunde heraus ein Konzert gespielt hat, das gepasst hat, etwa auch im Stile Haydns. Nachher, wie sich alle den Schweiß abgewischt haben, hat er gesagt, „Na, das war doch ein hübsches Konzert, nicht?“ Solche Sachen konnte er, weil er mit einer großen Sorglosigkeit und Lustigkeit heranging. Peter fand die ganze Geschichte fabelhaft.

In den Jahren nach der Karajan-Assistenz erfolgte sein Aufstieg, den die Frankfurter Allgemeine Zeitung „kometenhaft“ und dabei „durch und durch solide fundiert“ nannte. In Salzburg, wo er seit Oktober 1955 Dozent am Mozarteum war, fand die Uraufführung seiner Opera piccola „Nachtausgabe“ statt – mit dem Schauspielstudenten Thomas Bernhard in der Rolle des betrunkenen Wachtmeisters und Carl Schuricht, George Szell, Boris Blacher und Gottfried von Einem im Publikum.

Doch auch der Salzburger Wirkungskreis verlangte bald nach Erweiterung. 1958 engagierte Herbert von Karajan Ronnefeld, den er bei einer Klavierprobe der Oper „Julietta“ von Heimo Erbse kennengelernt hatte, als Korrepetitor an die Wiener Staatsoper.

1961 kehrte Ronnefeld nach Deutschland zurück und wurde Chefdirigent in Bonn. In diese Zeit fiel die Uraufführung seiner Oper „Die Ameise“ in Düsseldorf unter seiner Leitung. Die Oper spaltet das Publikum in stürmische Befürworter und erbitterte Gegner; kalt scheint sie niemanden gelassen zu haben. Ronnefelds Freund und Librettist Richard Bletschacher erinnert sich: Und nach der Premiere der Ameise war in der Düsseldorfer Oper die Hölle los. Klatschende, jubelnde, pfeifende und protestierende Zuschauer suchten sich um die Wette zu übertönen. Ich selbst erinnere mich nicht, seither wieder eine solch erregte Auseinandersetzung in einem Theater erlebt zu haben. Wir lachten beide vor Freude, als wir vor den Vorhang gerufen wurden. Wir waren damals zusammen gerade fünfzig Jahre alt und freuten uns am Lärm, am Lob und am Widerspruch.

Das “Time Magazine” schreibt: Spectators at the Dusseldorf Opera seemed to find no middle ground; they were either enraged or entranced by the generally cacophonous score.

Der nächste Karriereschritt bringt 1963 den Posten des Generalmusikdirektors in Kiel und macht Ronnefeld zum jüngsten Generalmusikdirektor Deutschlands. Er dirigiert die Berliner und Wiener Philharmoniker, an der Deutschen Oper Berlin und der Königlichen Oper in Kopenhagen.

Die ihm eigene Sorglosigkeit bleibt ihm erhalten. Zahlreiche Briefe an Kollegen und besonders an seine Eltern zeugen von Witz und Geist und Humor. Noch der Nachricht von seiner schweren Krebserkrankung – als er gerade den berühmten Oratoriensänger Helmut Krebs für ein Konzert engagieren will – gewinnt er eine bittere Pointe ab. Zu Thomas Bernhard sagt er: Stell Dir vor, ich wollte gerade den Krebs engagieren, weil ich den in der Johannispassion brauche, und der Arzt, bei dem ich am Vormittag war, sagte, ich hab’ ihn schon.

Kurz zuvor, im Dezember 1963, hatte Bernd-Alois Zimmermann ihm noch geschrieben: Angesichts der schlechten Erfahrung in der Sterblichkeitsziffer der letzten Wochen von Musikern [Karl Amadeus Hartmann und der Opern- und Filmkomponist Winfried Zillig waren vor kurzem gestorben, Anm.] wollen wir uns vor allem gute Gesundheit wünschen: wir haben einen anstrengenden Beruf!

Peter Ronnefeld stirbt am 6. August 1965. An seiner letzten Wirkungsstätte bleibt der „Kieler Stil“ mit seinem Namen verbunden. Ein Jahr nach seinem Tod wird ihm posthum der Kulturpreis der Stadt Kiel verliehen. 1967 wird das Werk „Verrà la morte“ von Aribert Reimann, wie Ronnefeld ehemaliger Student Boris Blachers, von den Berliner Philharmonikern unter Wolfgang Fortner uraufgeführt. Es ist Peter Ronnefeld gewidmet.

 Christian Reichart

 

Thomas Bernhard in einem Leserbrief an die Süddeutsche Zeitung:

Peter Ronnefeld war einer meiner besten Freunde während meiner Studienzeit am Mozarteum, in meinem Leben habe ich nicht mehr so viel gelacht wie mit ihm, der schon mit zwanzig Assistent von Karajan an der Wiener Oper gewesen war und dort mit wenig über dreißig die italienischen Opern vor allem von Rossini, La Cenerentola etcetra besser dirigiert hat als die meisten seine Italianità-Kollegen. Vor allem war Peter Ronnefeld aber ein ganz und gar ausgezeichneter Klavierspieler. Ich selber habe außer, dass ich mit ihm mehr gelacht habe als mit den meisten anderen Menschen, die, wie man weiß, zum Lachen meistens zu stumpfsinnig sind, viel über Musik gesprochen und wir haben uns gegenseitig sozusagen musikalisch in die Höhe gebracht.

 

 

 

 

 

“Über die so vielseitige Erscheinung Peter Ronnefeld, seine starke persönliche Ausstrahlung ließe sich noch viel erzählen. Besonders über das immer wieder überraschende Phänomen, dass alles, was immer er auch in die Hand nahm, sofort alle Erdenschwere verlor. Probleme lösten sich fast von selbst und die ärgsten Kontraste entschärften sich zusehends, egal ob es nun galt, etwa einem schwierigen Orchester Vorurteile gegen neuartige Werke zu nehmen oder zwischen Tradition und allzu forcierter Moderne den eigenen Weg als Komponist zu finden. Diese begnadete, fast überirdische Leichtigkeit im Musikmachen begleitet Ronnefeld sein ganzes Leben lang. Eine Eigenschaft, die – der Vergleich mag hier nicht vermessen erscheinen – bisweilen an Mozart denken ließ. In seiner sonst absolut irdischen, sehr liebenswürdigen, herrlich unsentimentalen Art war Ronnefeld der Motor jeder Gesellschaft, die er durch seinen Witz und seine Schlagfertigkeit entzückte. Aber er war auch die treibende Kraft, die schier unerschöpfliche Energiequelle für so manches künstlerische Team. Wie er bei vielen Menschen verborgene Fähigkeiten zu entdecken wusste, so gelang es ihm auch, alle zu Höchstleistungen anzuspornen. Jeder war mehr in seiner Gegenwart.”

Otto Tomek

 

 

 

 

 

 

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